The Map That Leads To You

(London Ruins #1)

Leseprobe

Created with Sketch.

Kapitel 1 - River

 

Ein schriller, hoher Signalton unterbrach jedes Gespräch, das bis eben im Pausenraum geherrscht hatte. Gleichzeitig waren fünfundzwanzig Soldaten, mich eingeschlossen, auf den Beinen. Wir schnappten uns unsere Helme und stürmten hinaus auf den Korridor. Jeder von uns kannte seine Aufgabe. Es gab keine Fragen, nur eine so routinierte Reaktion, dass es an Automatismus grenzte. 

Mit geübten Fingern löste ich die Blende von der Wand und holte den Löschschlauch heraus. Ich warf ihn Silver, einem der Soldaten aus meiner Truppe zu, der ihn auffing und an den Hydranten anschloss, neben dem er stand. Während er sich um das Wasser kümmerte, rannte ich in Richtung des Lagerbereichs, aus dem der Alarm gekommen war. Mir auf dem Fuß folgte mein elektronischer Gefährte Rusty, ein Roboterhund von der Größe eines Schäferhundes.

Für jeden Abschnitt in Victoris gab es unterschiedliche Alarmtöne, wodurch die Sicherheitseinheiten sofort einordnen konnten, wo welche Art von Gefahr drohte. So klang zum Beispiel ein Einbruch im Wohntrakt anders als eine Schlägerei im Vergnügungsviertel. Und ein Feuer in einem der Lebensmittellager war mit dem lautesten, eindringlichsten Ton versehen worden. Denn nichts, aber auch gar nichts hatte eine höhere Priorität als die Lebensmittel- und Wasservorräte der Stadt. 

Normalerweise gab es für solche Fälle mittlerweile ein Notfallsystem. Einige Wissenschaftler hatten schon früh begonnen, nach einer Lösung zu suchen, wie man Feuer ohne Wasser löschen konnte. Durch elektronische Felder war es ihnen tatsächlich gelungen, selbst größere Brände in den Griff zu bekommen. 

Als Victoris erbaut wurde, hatte man diese Sicherheitsmaßnahme vor allem bei den Lebensmittellagern verwendet. Allerdings benötigten die Felder Strom. Falls dieser aus irgendeinem Grund ausfiel, waren sie nutzlos und die Sicherheitskräfte waren wieder auf Wasser angewiesen.

Hinter mir hörte ich Silver fluchen und vermutete, dass die Pumpe wieder einmal nicht funktionierte. Ich achtete nicht darauf - helfen konnte ich ihm gerade ohnehin nicht - sondern sprintete um eine Ecke zu einem Nebeneingang. Erleichtert stellte ich fest, dass sich das Feuer noch nicht allzu weit ausgebreitet hatte. Ehe ich jedoch mit einem der Generalschlüssel des riesigen Schlüsselbundes in meiner Tasche die Tür öffnen konnte, packte mich jemand an der Schulter. 

»Du wirst da nicht ohne mich reingehen«, knurrte Kit, mein Partner auf Patrouillengängen, mich an und ich zuckte schuldbewusst zusammen. 

»Hatte ich nicht vor«, schwindelte ich, woraufhin ich nur ein Schnauben als Antwort bekam.

»Sicher doch. Schließt du jetzt auf?« Kit machte eine Handbewegung in Richtung der Tür vor uns. 

Mit einem leisen Grummeln steckte ich den Schlüssel ins Schloss. Das leise Klicken, das erklang, sobald ich ihn umdrehte, hörte man in dem Chaos um uns herum kaum. 

Über die Schulter hinweg sah ich zu Kit, der sich rechts neben der Tür positioniert hatte. »Bereit?«, fragte ich und griff nach dem Knauf. Er nickte. 

Mit einer geschmeidigen Bewegung drehte ich mein Handgelenk, schaltete zeitgleich die Sauerstoffversorgung, die in unserem Helm integriert war an und trat dann zu, sodass die Tür mit voller Wucht aufflog. Eine dichte, schwarze Rauchwolke kam uns entgegen. Mit einem Tippen auf mein Handgelenk schaltete ich die Wärmebildkamera in meinem Visier an und setzte dann langsam einen Fuß in den Lagerraum, Kit dicht auf meinen Fersen. 

Innerhalb weniger Minuten hatten wir den Brandherd ausfindig gemacht - ein Schwelbrand auf der anderen Seite des Raumes. Unkompliziert, verursachte jedoch eine Menge Rauch. 

Zufrieden lächelte ich. Sämtliche Lebensmittel waren haltbar verpackt und das bisschen Rauch würde ihnen nicht geschadet haben. Meine Finger waren völlig ruhig, als ich auf einen Knopf an dem Transponder an meinem Handgelenk drückte. »127 an Einheit Beta. Brandherd identifiziert, bitte um Einleitung der Entrauchung. Koordinaten 30U 699565.678 5709430.719, wiederhole, Koordinaten 30U 699565.678 5709430.719. 127 over.« 

Wir warteten nicht lange, bis die ersten Soldaten mit ihren eigenen elektronischen Gefährten um die Ecke kamen. In Windeseile bauten sie die Geräte auf, die für die Entrauchung notwendig waren. Sobald wir den Lagerraum wieder gefahrlos betreten konnten, bildeten wir eine Kette und machten uns daran, die Lebensmittel auszuräumen. Vorerst würden sie an einen anderen Ort gebracht werden, denn hier konnten sie nicht bleiben. Aufgrund der knappen Vorräte war die Kriminalitätsrate hoch und nicht selten wurden Lager aufgebrochen und ausgeraubt. Daher sollte immer mindestens ein Wachposten da sein. 

Stirnrunzelnd fragte ich mich, wo das Personal an diesem Lager gewesen war, denn gesehen hatte ich niemanden. Diese grobe Fahrlässigkeit würde ich melden müssen, denn wenn ich mit meiner Vermutung richtig lag, war dieses Feuer nicht durch Zufall entstanden. Brandstiftung war in Victoris keine Seltenheit, obwohl diese Art der Unmutsäußerung nichts an den Umständen änderte. Im Gegenteil, durch die Zerstörung der Vorräte wurden diese nur noch knapper und die Unzufriedenheit der Bevölkerung steigerte sich weiter, doch das schien nicht in die Köpfe der Brandstifter vorzudringen. Dazu kam, dass bei jedem Brand wertvolles Wasser verschleudert wurde, das an anderer Stelle wesentlich dringender gebraucht wurde.

Mit schnellen, präzisen Bewegungen brachten wir eine Kiste nach der anderen mit Unterstützung der Gefährten nach draußen. Es gab nur zwei Varianten der elektronischen Gefährten, aus denen die Soldaten wählen konnten - Hunde oder Vögel. Die meisten entscheiden sich für Hunde, da diese im Kampf bessere Arbeit leisteten, doch zum Ausspähen von Gelände oder zum Transportieren schwerer Dinge waren die Vögel unschlagbar. 

Wir verluden getrocknetes Gemüse, eingelegte Obst, geräucherter Tofu. Fleisch oder Fisch suchte man in Victoris vergeblich. Fleisch, weil es in den kilometerhohen Wolkenkratzern, die durch Himmelsbrücken miteinander verbunden war, unmöglich war, gute Voraussetzungen für die Viehzucht zu schaffen. Und Fisch, nun ja. In einem Umkreis von vielen Kilometern um Victoris sollte man jegliches Wasser meiden, das nicht durch mindestens drei hochwertige Filter geflossen war - es sei denn, man hatte den Wunsch einen qualvollen, und ziemlich langsamen Tod zu sterben. Natürlich hätte man Fische und andere Meerestiere auch in Aquarien halten können, doch der Wasserverbrauch in Relation zu der Nahrung, die man erhielt, war einfach zu hoch.

Als ich gerade die letzte Kiste getrockneter Pilze weiterreichte, machte sich plötzlich Rusty bemerkbar. Die künstliche Intelligenz, kurz KI, in den ›Tieren‹ war so eingestellt, dass sie den Besitzer auf alles Ungewöhnliche aufmerksam machen sollte und ich hatte Rusty sogar noch ein wenig feiner eingestellt. Mit einem penetranten Piepton informierte er mich über ein Geräusch und ich drückte routiniert auf meinen Transponder, um es über die Lautsprecher in meinem Helm abspielen zu lassen. Als ich hörte, was Rusty entdeckt hatte, zuckte ich erschrocken zusammen. Es war etwas, das so gar nicht in die Geräuschkulisse von knisternden Flammen und dem Rumoren meiner Kameraden passte. 

Ich hörte einen Hilferuf.

Er war leise und im ersten Moment glaubte ich, mich verhört zu haben, doch dann erklang er erneut. Ich hatte mich nicht geirrt. Ohne ein weiteres Wort ließ ich die anderen stehen und sah mich aufmerksam um. An drei Seiten des Raumes waren deckenhohe Regale aufgereiht, aus denen wir gerade Kisten und Tonnen räumten. Die letzte Wand hingegen war vollständig aus Glas, hinter dem man gelegentlich farbige Lichter aufblinken sah. Die Elektronik für das Thermostat, die Sicherheit sowie das Löschsystem war hinter der Glaswand in einem separaten Raum untergebracht. So konnte sichergestellt werden, dass, falls es ein Feuer in einem der beiden Bereiche gab, es begrenzt war. 

Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich durch das Glas hindurch, konnte allerdings nichts erkennen. Rusty allerdings war bereits zu der schmalen Tür gerannt, die den Serverraum von dem Lager trennte, und sandte ein bestätigendes Vibrieren durch meinen Transponder. Lebenszeichen ermittelt. 

»River, was zur Hölle treibst du da?«, erklang Kits Stimme in meinem Helm. Ich antwortete nicht, sondern ging ohne zu zögern auf die Verbindungstür zu. Vielleicht wäre es klüger gewesen, zuerst das andere Team auf die Stimme aufmerksam zu machen, doch eine entscheidende Sache sprach dagegen. Den Sicherheitskräften war vom ersten Ausbildungstag eingebläut worden, dass die Vorräte das Wichtigste waren. Ohne wäre Victoris verloren, da es so etwas wie globalen Handel schon seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Jede Stadt war auf sich allein gestellt und wenn wir einen Teil der Lebensmittel einbüßten, starben Menschen. Dazu kam, dass ein Feuer verheerend sein konnte. Hier mochte vieles aus Stahl sein, doch die verbaute Elektronik - vor allem die, die für die Wassergewinnung gebraucht wurde - würde großen Schaden nehmen.

Deshalb wusste ich genau, dass die Löschung des Feuers und die Sicherung der Vorräte immer Vorrang vor einem Menschenleben hatte. Selbst vor einem Kind. 

Nachdem ich überprüft hatte, dass meine zusätzliche Brandfluchthaube griffbereit war, stieß ich die Tür auf. Auf den ersten Blick sah ich nichts als Kabel und Elektrogeräte, die sich an der Wand stapelten. Links von mir befand sich ein breiter Metalltisch, auf dem achtlos Papiere herumlagen. Doch nirgendwo konnte ich eine Person entdecken.  Ein blechernes Bellen erregte meine Aufmerksamkeit und ich sah zu Rusty, der mit einem schmalen Lichtkegel aus seiner metallenen Nase heraus unter den Tisch schien. Das Licht schien direkt auf einen kleinen Fuß.

»Hab’ dich«, murmelte ich mehr zu mir selbst und ging in die Hocke. Je näher ich kam, desto deutlicher erkannte ich, mit wem ich es zu tun hatte. Ein kleines Mädchen, vielleicht acht oder neun Jahre, hatte sich, so weit wie möglich, unter dem massiven Holztisch verkrochen. Das Bein, dessen Fuß ich zuerst entdeckt hatte, war verdreht, vermutlich gebrochen. Aus schreckgeweiteten Augen starrte sie mir entgegen und ich hob beruhigend die Hände. 

»Es ist alles in Ordnung, ich hole dich hier heraus«, versprach ich ihr und zog die Brandfluchthaube aus einer Tasche an meiner Uniform. »Siehst du das? Die muss ich dir aufsetzen, die wird dich vor dem Rauch schützen.« Sie fing an zu zittern. Die Angst stand ihr in das schmale Gesicht geschrieben und ich vermutete, dass ich mit der Uniform, dem Helm und der entsprechend verzerrten, dumpfen Stimme ziemlich unheimlich aussehen musste.  Ich gab Rusty einen stummen Befehl und er kam ein Stück näher, um sie mit seiner metallenen Schnauze sanft anzustupsen. Kurz zögerte das Mädchen, dann streckte sie ihre Finger aus und strich dem Hund leicht über den Kopf. Zufrieden, dass sie nicht mehr so ängstlich wirkte, zog ich ihr die Haube über und hielt ihr dann eine Hand hin.

»Komm schon, wir müssen hier weg.« Nach einem kurzen Blick zu Rusty legte das Mädchen kleinen Finger hinein und ich atmete erleichtert aus. So vorsichtig wie nötig und gleichzeitig so schnell wie möglich half ich ihr, sich unter dem Tisch hervorzuziehen, ohne ihr Bein großartig zu belasten. 

»Ich werde dich jetzt hochheben, okay? Das wird wehtun, aber so sind wir am schnellsten.« Die Unterlippe des Mädchens zitterte bedenklich, doch sie nickte tapfer. Durch das transparente Visier meines Helms schenkte ich ihr ein Lächeln. 

Rasch informierte ich den Sanitäter unserer Einheit, damit er sich mit einer Trage bereithielt, dann hob ich sie hoch. Ihr schmerzerfülltes Aufkeuchen ließ meinen Magen verkrampfen und ich beeilte mich, den Raum so schnell wie möglich zu verlassen. 

Während ich mit dem Mädchen den Weg zurück nach draußen antrat, sah ich aus den Augenwinkeln, dass meine Kameraden die Flammen mittlerweile ein gutes Stück weit eingedämmt hatten. Zum Glück. Noch viel länger und wir würden Probleme mit dem Wasservorrat bekommen. 

Ohne stehen zu bleiben, trug ich das Mädchen weiter. Als ich zurück auf den Korridor trat, sah ich erleichtert, dass Bailey, unser Sanitäter, bereits auf uns wartete. Über seiner Schulter flatterte sein Gefährte Mozart, ein elektronischer Vogel in Form eines Falken.

»Leg sie hier ab«, sagte er und deutete auf die Trage neben sich. Vorsichtig ließ ich das Mädchen darauf sinken und sie stöhnte leise. 

»Es ist alles gut. Du hast es geschafft«, lobte ich sie. 

Mit großen Augen sah sie zu mir auf und griff nach meinem Arm, als ich mich von ihr wegdrehen wollte, um mit Bailey zu sprechen. »Danke«, krächzte sie heiser und ich lächelte sie an. 

»Gern geschehen.« 

Dann beugte Bailey sich über sie und ich informierte ihn über alles, was ich wusste. Währenddessen setzte ich meinen Helm ab und fuhr mir über den schweißnassen Kopf. Obwohl ich die Vorschrift, alle Bewohner von Victoris hatten ihr Haar immer auf eine maximale Länge von drei Millimeter zu kürzen, normalerweise hasste, kam es mir in Momenten wie diesen zugunsten. Allein beim Gedanken, längere Haare unter dem Helm verstauen zu müssen, bekam ich beinahe einen Hitzschlag. Außerdem bedurften sie nicht viel Pflege. 

Ich war gerade erst wieder zu Atem gekommen, als ich meinen Namen hörte. Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte ich mich um und im nächsten Moment bekam ich auch schon einen Fausthieb gegen den Arm verpasst. 

»Was war das denn, K-Man?«, fragte ich Kit grinsend, der mich finster anstarrte. Sein Vogel-Gefährte Rocket gab ein empörtes Krächzen von sich. »Du schlägst ja wie ein Mädchen.« Diese alte Redewendung ergab in den heutigen Zeiten keinen Sinn mehr, da mit dem Aufbau von Victoris kein Unterschied mehr zwischen Geschlechtern gemacht wurde. Jeder konnte jeden Beruf ergreifen, ganz gleich, ob Soldat oder Friseur. Vorurteile aufgrund von Geschlechtern gab es nicht mehr. Allerdings auch keine Individualität. Daher auch die Vorschrift der kurzen Haare. Eine weitere Art der Regierung, Kontrolle auf die Bevölkerung auszuüben. Erst, wenn man eine besondere Auszeichnung erhielt oder den Status einer Mutter erreicht hatte, durfte man eine individuelle Frisur tragen. Meine Mutter beispielsweise hatte wunderschöne hüftlange Locken, um die ich sie jedes Mal aufs Neue beneidete. 

Kit ignorierte meine Frage geflissentlich. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die dunkelblauen Augen zu schmalen Schlitzen verengt. »Wieso bist du einfach da reingestürmt? Hattest du vor, Held zu spielen?« 

»Nein, wollte ich nicht.« Dankbar nahm ich eine Flasche Gatorade von einem anderen Kameraden entgegen und trank einen Schluck. »Ich wollte einfach nur helfen.« 

Kit sah mich einen langen Moment an, bevor er die Arme sinken ließ und den Kopf schüttelte. »Genau das ist der Grund, warum du diese verfluchte Beförderung bekommen wirst.«

»Weil ich ohne nachzudenken irgendwo reinstürme?«, fragte ich amüsiert. »Oder weil ich mehr Glück als Verstand habe?« 

»Weil du einen verdammten Helferkomplex hast, deshalb«, antwortete Kit ernst.

»Hab ich gar nicht«, nuschelte ich verlegen und nahm einen weiteren Schluck von meinem Getränk. 

»Hast du wohl«, rief ein anderer Soldat aus unserem Team und ein paar Umstehende lachten. 

Gutmütig verdrehte ich die Augen und sah noch einmal zu Bailey und dem Mädchen. »Wird sie durchkommen?«, fragte ich den Sanitäter, der nickte. 

»Ist nur eine leichte Rauchvergiftung und ein gebrochenes Bein. Aber es war gut, dass du sie so schnell gefunden hast.« 

Das sah ich genauso. 

Kit stieß mich an. »Na komm, lass uns zurück gehen. Die anderen werden hier aufräumen und wir sollten den Bericht vorbereiten.« 

Zustimmend nickte ich und wir machten uns auf den Weg zurück ins Hauptquartier des Sicherheitspersonals. Um uns herum herrschte noch immer eiliges Treiben, doch mit der Löschung des Feuers hatten wir unser Soll fürs Erste erfüllt. Ein Aufräumkommando würde sich darum kümmern, dass das Lager repariert und wieder hergerichtet wurde. 

»Hast du irgendwelche Spuren gefunden?«

»Brandbeschleuniger. Wie die letzten Male«, sagte Kit zustimmend. 

»Es wird schlimmer«, murmelte ich nachdenklich und warf einen Blick aus den großen Fenstern nach draußen. Ich wusste nicht, wonach ich Ausschau hielt. Von beinahe jedem Ort in Victoris war der Ausblick der gleiche. Man sah überall die grellen Lichter der anderen Türme und die beleuchteten Himmelsbrücken, mit denen sie untereinander verbunden waren. Selbst tagsüber waren die Megatürme hell erleuchtet, was einen massiven Stromverbrauch bedeutete. Andererseits produzierten wir durch die abertausenden Sonnenreflektoren, die auf der Außenseite der Türme angebracht waren, auch extrem viel Strom. 

»Bald darfst du nach unten«, bemerkte Kit, der meinen Blick nach draußen anscheinend bemerkt hatte. 

Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist doch noch gar nicht sicher, ob ich wirklich befördert werde.« 

»Unsinn. Jeder weiß, dass es passieren wird. Es ist nur die Frage, wann

»Vielleicht …« 

Seite an Seite betraten wir den Pausenraum, den wir vorher so übereilt verlassen hatten. Halbherzig brachte ich einen Teil des benutzten Geschirrs zu der kleinen integrierten Küche und nahm mir einen Proteinriegel. 

»Glaubst du …«, begann ich, doch ich unterbrach mich wieder. 

»Glaube ich … was?« 

»Ach nichts.« Ich beugte mich herab, um Rusty zu streicheln. 

»Warum machst du das?«

»Hä?« Fragend sah ich Kit an. 

Er deutete mit einer Hand auf Rusty. »Du streichelst ihn. Als ob er ein echter Hund wäre.«

Ertappt zog ich meine Hand zurück und richtete mich auf. Er hatte recht, das tat ich und zwar nicht zum ersten Mal. Es war noch nicht so lange her, seit das Sicherheitspersonal echte Tiere als Gefährten gehabt hatte. Meine damalige Hündin Julia war mein Ein und Alles gewesen. Na ja. Beinahe. Immerhin war da zu dem Zeitpunkt auch noch -

»River?« 

Ich zuckte zusammen. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, wodurch ich den angebissenen Proteinriegel zerdrückte. Tief durchatmend versuchte ich, die düsteren Erinnerungen zu vertreiben und mich wieder auf Kit zu konzentrieren. 

»Ich weiß auch nicht. Ich glaube, ich habe mich einfach noch nicht daran gewöhnt, dass sie … du weißt schon, nicht echt sind.« Ich warf den Proteinriegel in den Müll und versuchte Rusty zu ignorieren, dessen penetrantes Stupsen an meinem Bein sich ziemlich echt anfühlte. Vielleicht hatte ich mit meinem letzten Feintuning ein wenig zu intensiv an seinem KI-Kern herumgebastelt. 

»Achso.« Kit nickte verständnisvoll. »Das verstehe ich. Sollen wir jetzt den Bericht schreiben?« 

Ich streckte mich noch ein letztes Mal und drückte den Rücken durch, bevor ich nickte. »Ja, lass uns loslegen. Je eher wir fertig sind, desto eher können wir Schluss für heute machen.« 

Kaufe das eBook

Created with Sketch.

Kaufe das Taschenbuch

Created with Sketch.

Bist du bereit, die Sicherheit deines Volkes für die Liebe aufs Spiel zu setzen?

River hat es geschafft. Sie ist endlich in den Eliterang der Stadtwache befördert worden.

Ihr erster Auftrag: In die Ruinen des zerstörten Londons reisen und nach einer Bombe suchen, die die Sicherheit von Victoris’ bedroht.

Als sie bei ihrem Auftrag allerdings gefangen genommen wird, entpuppt sich der Anführer der Rebellen ausgerechnet als ihr totgeglaubter Ex-Freund Quinn.

Plötzlich beginnt sie, alles in Frage zu stellen, an das sie ihr Leben lang geglaubt hat.